wenn liebe keinen preis hat
wenn sie nicht unteilbar ist,
nicht alleiniger besitz,
was dann?

"haben" wolltest du mich.
fest in der hand und der tasche.
wie ein schmuckstück. zierde und habe. aufputz.
als solcher gehegt und gepflegt.

nie wolltest du meine sehnen, meine seele, mein blut.
das pulsieren unter der hülle hat dir angst gemacht.
so wie dein eigenes nicht minder.
da drinnen ist es heiß, wusstest du das nicht?
das war gemein, ich weiß: ein anderer hat hingefasst und du die brandblase davongetragen, armes kind.

lauf, bub, lauf weit.
ich bin überall.
ich bin in dir.
das musst du erst lernen, ich weiß.

deine krampfhaft geschlossenen augen, der kopf im sand, vertreibt mich nicht, besiegt mich nicht.

du kannst mich nicht
lebendig begraben.
aber lass dir zeit, bub,
zu viel hast du nie gelernt.

glaubst du an das alter von seelen?

ach komm, du hast dir nie gedanken darüber gemacht, hab ich recht? du bist so jung. zu oft habe ich dir das vorgeworfen, verzeih. deine jugend, meine ich.
sie ist so schwach, deine seele.
ich spüre sie.
ja, das macht dir angst, ich weiß.
wie dir so vieles angst macht, armer, ängstlicher freundfeind.

du wirst mich nie besitzen.
du wirst mich niemals los.

ich bin nur ganz einfach
da.

ja, mag ich.

jahresbeginn-melancholie. warum auch nicht? ein bisschen angst vor dem, was kommen mag.

wieviel *besser* kann es werden?

anders gefragt: wieviel näher dürfen wir uns kommen, ohne gefahr zu laufen aneinander vorbei zu driften oder einander nicht mehr sehen zu können, keinen platz mehr zu haben, die hand nacheinander auszustrecken?

nicht einmal mehr. ich brauche sie nicht mehr, diese stunden. hatte zeit genug, mich zu versöhnen mit diesem jahr.

du, jahr, große, 364 tage alte hassliebe.
schön, dass es dich gab.

wer die nicht kennt weiss nicht, wovon ich spreche. die diagnose als freibrief, als offizielle genehmigung

nicht mehr

funktionieren

zu müssen.


nicht mehr koennen duerfen, mit zertifikat quasi. fallen duerfen, aufgeben duerfen die fantasie auf die reise schicken, die inneren bilder fuer voll nehmen duerfen, nicht mehr kaempfen muessen gegen den drachen in dir. aufgeben duerfen. fallen duerfen.

auch der mut zum wahnsinn war groesser. damals. und manchmal sehne ich mich danach. nach der zeit, in ich den mut noch hatte. den mut zum kippen, loslassen, fallen.

wenn du den mann, den du liebst, nicht begehrst, wenn das begehren sich verfluechtigt hat, im laufe der jahre. wenn du seine naehe geniesst, seine meinung schaetzt. wenn du ihn liebst, wirklich liebst, nur eben nicht begehrst.

wenn du weisst, wie lange er sich jetzt schon zurueckgehalten hat, deinetwegen, und du dir bei tageslicht immer wieder denkst: 'was ist schon so schlimm daran?' wenn du dir vorstellst, dass du ihm einfach diesen gefallen tust, in der naechsten nacht, immer wieder in der naechsten nacht, weil es so einfach scheint in der vorstellung.

wenn dann die nacht kommt, in der seine haende sich nicht mehr zurueckziehen, in der seine kuesse fordernder werden, dein koerper sich verkrampft. wenn seine hand sich zugang verschafft, mit etwas mehr als sanfter gewalt und das gefuehl zu ersticken immer massiver wird, bis dein koerper reagiert, auch ohne dein wollen.

das, das ist das schlimmste von allem.